Ein turbulentes Familienleben

Viele Erlebnisse in den Jahren 1990 - 1992

2. Eine turbulente Zeit auch für die Familie (1990 - 1992)

 

Die ersten Jahre nach meinem Ausstieg bei Babor, in etwa von 1990 bis 1992, waren auch privat alles andere als leicht gewesen. 

 

Ich hatte mir sehr wohl vorgenommen, mit dem ersparten Geld und der Abfindung, die ich von Babor erhalten hatte, behutsam umzugehen. Auch versuchten wir, geschäftlich kostenbewusst an die Sache heranzugehen. Elka und ich blieben stets bemüht, bescheiden zu leben. Natürlich hatten wir drei Kinder, die versorgt werden wollten, wobei ich aber sagen muss, dass sie alle sehr zurückhaltend waren und keine hohen Ansprüche stellten. Die ersten geschäftlichen Versuche, die Vertretung von Femia Cosmetics und der Katalogvertrieb des Club des Professionnels, waren jedoch alles andere als erfolgreich gewesen und hatten eine Menge Geld verschlungen, so dass wir nun noch sparsamer haushalten mussten. 

 

Im Sommer 1990 verbrachten Elka und ich mit unseren Kindern jedoch zunächst noch einen schönen Urlaub in Spanien, in La Manga an der Costa Calida in der Nähe von Murcia. Hier hatte uns ein befreundeter Kunde meines früheren Arbeitgebers eingeladen, Mario Villacanas aus Madrid. Er hatte dort einen Wohnwagen, eigentlich mehr eine kleine Villa auf Rädern, den wir für einige Wochen benutzen durften und wir alle hatten dort eine schöne Zeit, mit vielen Erlebnissen: unterwegs im Süden Frankreichs, in Beziers, mit dem warmen Wasser in der Bucht von Murcia und auch der ermüdenden Rückfahrt  vorbei an den Waldbränden bei Valencia. Ulrich war inzwischen 12 Jahre alt und selbst Erik war mit sieben Jahren nicht mehr ganz klein. Ich war gerade mit dem Aufbau der dekorativen Serie Malu Wilz beschäftigt, für die wir auch einige Lieferanten in Spanien ausgesucht hatten. Sie wurden bei dieser Gelegenheit jedoch nicht besucht.

 

Im Frühjahr 1991 reisten Elka und ich mit meinen Schwiegereltern Eva und Herbert Ledwon in die frühere DDR, in die jetzigen neuen Bundesländer. Die Mauer war gefallen, Deutschland war wieder vereint. Erst jetzt trauten sich die beiden nochmals in ihre alte Heimat nach Görlitz an der Neiße zu reisen. Auch Elka war natürlich daran mehr als interessiert und es war eine wunderschöne Reise, die uns zu vielen bekannten Orten führte, die Eva und Herbert noch in Erinnerung hatten. Dazu gehörte auch die Landskrone. Wir besuchten aber auch Dresden, weil die Stadt fast am Wege lag, und auf der Rückfahrt Verwandte der Familie Schütze in Oschatz, die Herbert aus dem Rentnerklub kannte. 

 

Im Jahr 1992 reichte es noch für einen Urlaub in den Allgäu. Dieses Urlaubsziel hatten uns mein Freund Bernd und seine Frau Roswitha empfohlen. Den Kindern gefiel es dort nicht so recht, es lag vielleicht auch etwas an dem regnerischen Wetter. Aber nur Berge und kalte Seen, die nicht zum Baden einluden, waren nicht so recht die Sache unserer Sprösslinge. 

 

 In der Schule gab es mit den Kindern nur die üblichen Probleme, aber keine Sonderfälle. Ich selbst hatte mich auch auf Drängen von Elka in den Elternrat wählen lassen, wo ich unter anderem frühere Schulkameraden von mir traf, die nun auch Kinder im schulpflichtigen Alter hatten. Wir lernten aber auch viele Eltern kennen, die sich in den letzten Jahren in Hauset niedergelassen hatten. Mit einigen entstanden auch bald neue Freundschaften. Dazu gehörte zum Beispiel die Familie Schaffrath mit ihren drei Töchtern oder die Familie Wolf, um nur zwei zu nennen. Einige dieser neuen Bekanntschaften blieben bis auf lange Jahre noch in Verbindung zu uns, auch als die Kinder später schon alle eigene Wege gingen. Das Ganze war für mich parallel zum Existenzkampf, den ich mit der eigenen Selbstständigkeit nun führte, ganz schön aufreibend und anstrengend. Einige der Kameraden halfen uns auch in verschiedener Hinsicht, so Sepp Schaffrath, ein Elektrobetrieb-Inhaber in Aachen, mit Stromaggregaten für die Messe Düsseldorf, oder Bernd Wolf, der für mich Bestimmungen des spezifischen Gewichts unserer Produkte machte oder auch unser Nachbar Manfred Taschbach, der mir in finanziell sehr knappen Zeiten auch Geld anbot.  Taschbachs waren in das Nachbarhaus Flög 125 gezogen, das sie von Jochen und Uschi Bauer erworben hatten. Familie Bauer zog Hals über Kopf nach Aachen. Wie in vielen Fällen spielten bei dem Schritt der Bauers auch die ungeklärten Steuerfragen zwischen Belgien und Deutschland eine Rolle, oder andere Grenzschikanen, die auch in den 90er Jahren noch immer eine Quelle großen Ärgernisses waren. Die Bauers waren uns stets liebe Nachbarn gewesen, sie hatten zwei Söhne im Alter unserer Kinder, so dass man auch viele gemeinsame Probleme und Interessen hatte. Als die Kinder größer wurden, verlief dies alles etwas im Sande, Elka und ich waren deshalb nicht überrascht, als sie uns eines Tages eröffneten, sie würden nach Aachen zurückziehen.

 

Taschbachs waren uns ebenso liebe Nachbarn, Manfred und Waltraud hatten zwei Töchter, beide älter als unsere Kinder. Sie standen sozusagen schon mitten in der Pubertät und wir würden somit einen Teil ihres abwechslungsreichen Lebens am Rande miterleben können. Manfred hatte uns auch darüber hinaus nach der Übergabe des Malu Wilz Geschäfts angeboten, in seinen Kellerräumen in Aachen Brand ein Lager einzurichten, was wir gerne in Anspruch nahmen. Josef Müllejans, der ja unsere Abfüllung und Beschaffung organisiert hatte, löste diese Tätigkeit auf und gab alle Bestände ab. Er hatte sich beruflich jetzt anders orientiert und gründete die Müllejans Leasing. 

 

Josef Müllejans sowie seine Frau Anneliese hatten uns allerdings in den Jahren der Malu Wilz Tätigkeit sehr unterstützt, einmal, indem sie den gesamten Warenversand inklusive Lagerung und Konfektionierung auf sich genommen hatten, zum anderen, indem sie still hielten, wenn es einmal ganz knapp mit unserer Kassenlage war. Nach der Veräußerung des Vertriebs an die Firma Fansyco von Helmut Baurecht war die finanzielle Situation jedoch so gesundet, dass ich das meiste der angehäuften Schulden auch zurückzahlen konnte. Einen Rest für Arbeitsleistungen hatte mir Josef Müllejans dankenswerterweise erlassen.

 

Auch in anderer Hinsicht gab es private Erlebnisse. Zunächst hatte ich noch 1990 eine Praktikantin aus Ungarn engagiert, Erika Schneider aus Pecs (Fünfkirchen). Sie war Kosmetikerin und wollte auf diese Art und Weise in den Westen. Gerade war ja die Mauer gefallen und viele osteuropäische Verbindungen sollten neu entstehen. Sie fand eine kurzfristige Unterkunft bei meinem Freund Bernd Grassmann, aber für einen längeren Verbleib reichte es nicht. Ein Jahr später hatte ich Irja Kass aus Tallinn als Praktikantin angestellt. Sie war die Tochter eines Bekannten, den ich über meinen russischen Freund Nikolai Bulgakow in den achtziger Jahren kennengelernt hatte. Vater Kass war allerdings zwischenzeitlich an Krebs verstorben. Irjas Mutter war Kinderbuchautorin in ihrem Land. Irja war für die Arbeit sehr nützlich, jedoch auch recht eigenwillig. Ich konnte sie nur kurze Zeit beschäftigen, sie aber wollte im Lande bleiben. Deshalb erklärte sich Josef bereit, sie unterzubringen und Irja verweilte auch noch einige Zeit dort, um sich dann zu verselbstständigen.

 

Elka hatte von all dem genug, zumal ich auch noch Nikolai Bulgakow nebst Familie, das heißt mit Frau Olga und Tochter Anja, zu uns nach Belgien eingeladen hatte. Nach der Perestroijka war es zwar für die Bulgakows möglich, ein Visum zu erhalten, es war dennoch nicht ganz einfach. Nik und Olga hatten es jedoch geschafft und blieben im Sommer 1991 nahezu drei Wochen bei uns. Elka und ich bemühten uns trotz unserer beruflichen und privaten Hektik, ihnen einen schönen Aufenthalt zu bieten. Dazu gehörte zunächst eine Fahrt nach Brüssel, Brügge und Ostende (Nik wusste, dass Gogol hier eine Weile gelebt hatte, ebenso wie er wusste, dass in einem der Bücher Gogols auch eine Kneipe in der Pontstraße in Aachen erwähnt war). Als Gogol-Kenner und Wissenschaftler drang Nik bis zur Zeitung vor und ich konnte den Redakteuren der Aachener Zeitung einen Beitrag hierzu entlocken. 

 

Des Weiteren reisten wir aber auch nach Paris und Fontainebleau, wo sich der russische Emigranten-Friedhof befindet den wir ausgiebig besuchten. Ich erlebte dort auch in der orthodoxen Kirche, dass ein Gottesdienst für die orthodoxen Gläubigen durchaus einige Stunden dauern kann. 

 

Bei all den Schwierigkeiten hatten Elka und ich eine Weile daran gedacht, unser Haus zu veräußern, um der finanziellen Belastungen Herr zu werden. Dies konnte nicht unbemerkt vonstattengehen. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass sogar ein Sohn meiner früheren Arbeitgeberfamilie Vossen sich für den Bau interessierte. Die Commerzbank Filiale in Stolberg, wo wir unsere Finanzausstattung für den Betrieb her hatten, war nicht mehr bereit, die Kreditlinie aufrecht zu erhalten. Elka und ich haben uns dann durchgebissen und das Geld anderweitig aufgetrieben, durch eine Umschuldung bei der ANHYP. Ich hatte 1992 ich wieder einmal Kontakt zu Frau Sänger, im Zusammenhang mit den gerichtlichen Auseinandersetzungen in der Stiftung. Ich übernahm einige Erledigungen für sie, wofür sie mir einen Vorschuss gewährte. Durch den Deal mit Herrn Baurecht und auch durch eine Umwandlung und Verlagerung unseres Darlehens von Deutschland nach Belgien, zur Bank meines Bruders Siegfried, der ANHYP, war es uns gelungen den Gedanken einer Veräußerung wieder zu verwerfen. Auch half mir Josef Müllejans, indem er Forderungen erst später einforderte und einen Teil ganz stundete. Das Problem war jetzt, dass ich mit der Beauty Design GmbH, die ja noch nicht einmal ein Jahr bestand, nur ein bescheidenes Einkommen erwirtschaftete. Ich musste neue Einnahmequellen erschließen. 

 

Hierzu gehörte zum einen, dass ich mich 1992 entschlossen hatte, neben der bescheidenen Fortführung des Kosmetikgeschäfts doch eine weitere Tätigkeit aufzunehmen und so entschied ich mich, zum 1. Juli 1992 in den Dienst der Firma Kaiserbrunnen AG in Aachen zu treten.

 

Zu diesem Zeitpunkt war unser Sohn Ulrich vierzehn Jahre alt, sein Bruder Reinhard zwölf Jahre und Erik neun Jahre alt. Sie hatten alle drei die Dorfschule in Hauset besucht. Lehrerin der Erstklässler war Juliane Wetzels, bei der alle drei Söhne die ersten Schuljahre verbrachten. Im dritten und vierten Schuljahr war Ralph Mennicken aus Raeren Klassenlehrer. Gerade Reinhard hatte mit ihm doch einige Schwierigkeiten. 

 

Ulrich war bereits nach dem vierten Schuljahr, also 1988, nach Aachen gegangen, auf das Rhein-Maas Gymnasium. Hier verbrachte er nicht ganz zwei Jahre, um dann zur Luise-Hensel-Realschule zu wechseln. Reinhard folgte ihm 1990 dorthin, das Gutachten seines Hauseter Lehrers Ralph Mennicken war jedoch eher dürftig, stellte er doch Reinhards Befähigung, die Realschule zu besuchen, in Frage. Reinhard wurde dann aber doch bei dem Aufnahmegespräch von dem Schulleiter, Herrn van Treek, für gut befunden und besuchte daraufhin die Aachener Realschule, die in Burtscheid liegt. Sohn Erik, eingeschult 1989, war schon in der Volksschule nicht so strebsam wie seine beiden Brüder, er besuchte die Schule in Hauset nur in den beiden ersten Schuljahren. Auch hier war die Klassenlehrerin Juliane Wetzels. Elka zeigte wenig Lust, unseren jüngsten Sohn in die Klasse von Herrn Mennicken zu schicken, deshalb wechselte Erik 1991 nach zwei Jahren in Hauset in die Grundschule „Am Höfling“, ebenfalls in Burtscheid gelegen. Dies hatte natürlich auch praktische Gründe hatte. Er wiederholte das zweite Schuljahr und schaffte dort die drei Jahre bis zum vierten Schuljahr. 

 

Elka und ich hatten nur kurz beraten, ob wir unsere Kinder eher nach Eupen schicken sollten oder doch lieber nach Aachen in die weiterbildenden Schulen. Schon in früheren Jahren hatte ich doch in der Bevölkerung im Allgemeinen, aber auch in der Geisteshaltung der Bewohner, Erwachsene wie Kinder, eine unterschwellige Deutschfeindlichkeit zu erkennen geglaubt. Ich konnte mir zwar nicht genau erklären, woher dies kam, hatte sie aber am eigenen Leib erfahren, als ich mich im Zuge der Regionalisierung Belgiens, wo ich auch durch den Volksgruppenrat in der Meinungsvielfalt mitzuwirken versuchte, heftigen Attacken ausgesetzt sah. Es waren keine Attacken physischer Art, aber doch Verunglimpfungen und Beschimpfungen, teilweise in der Presse (Leserbriefe) oder in der Öffentlichkeit, die zuletzt auch meine Familie verletzten. Ich selbst konnte damit umgehen, meiner Frau und meinen Kindern wollte ich dies aber ersparen. Die eher deutschfeindliche Haltung auch bei Jugendlichen sollte nicht das sein, was meine Söhne erleben mussten. Vielmehr wünschte ich sehr, dass sie zu mündigen Bürgern erzogen würden, die sich ihr eigenes Urteil über die politischen und gesellschaftlichen Zustände in Deutschostbelgien bilden sollten. 

 

Ganz in der Nähe vom „Höfling“ befand sich auch die Luise-Hensel-Schule. Nach drei Jahren Grundschulbesuch ging Erik dann allerdings 1994 an die Klaus-Hemmerle-Gesamtschule in der Franzstraße. 

 

In den Jahren 1990 bis 1992 lag also eine große Belastung auf den Schultern von Elka, die natürlich wegen dieser Schulwechsel eine Menge Aufwand betreiben musste, nicht nur an Fahrten, sondern auch, weil sie allen drei Kindern eine gute Mutter sein wollte und ihnen eine optimale Betreuung in allen Bereichen zuzusichern gedachte. Diese Aufgaben fielen meist Elka zu, ich selbst war wirklich bis über beide Ohren in vielfältige Geschäfte, man kann sagen verwickelt, und dabei lief ja weiß Gott auch nicht alles rund.  

 

Ich muss auch heute noch Elka danken, für all das, was sie zu dieser Zeit an Einsicht und Kraft aufgebracht hat, um mich auf diesem schwierigen Weg der Jahre 1990 bis 1992 zu begleiten. Sie wird allerdings sicher zustimmen, wenn ich sage, dass wir auch in dieser Zeit stets zueinander gehalten haben und den Mut nie aufgaben. Auch haben wir den Kindern eine schöne Jugendzeit geboten.

 


Die Janssens aus Hauset

Walther und Elka Janssen wohnten mehr als 40 Jahre mit ihren drei Söhnen in dem kleinen Ort Hauset, einem Ortsteil der Gemeinde Raeren in Ostbelgien. Vieles in dem Archiv unserer Webseite dreht sich deshalb um diese 40 Jahre gemeinsamer Erlebnisse, aber auch um die Zeit davor. Elka und Walther wohnen seit 2013 in Schleckheim, einem Stadtteil im Süden von Aachen. Die beiden ältesten Söhne sind mit ihren Familien in Hauset geblieben, der jüngste Sohn wohnt am Firmensitz der Janssen Cosmetics in Oberforstbach (Aachen).  Wir möchten die Privatsphäre schützen, deshalb reagieren wir gerne auf Hinweise. Wenn Ihr also Hinweise,  Fragen, Anregungen und Vorschläge oder Ideen habt, meldet Euch gerne  

 

dialog@waltherjanssen.eu  


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Kommentare: 3
  • #3

    Scott ivins (Dienstag, 05 März 2024 21:45)

    It was a wonderful experience acting as sales agents for Tristano Onofri fragrances together with Adel Haddad

  • #2

    Klara Doert (Samstag, 19 November 2022 16:44)

    Ganz toll das wir uns gestern bei der Euriade zur Verleihung der Martín Buber Plakette an Iris Berben in Kerkrade zufällig nach all den Jahren über den Weg liefen. Warte nun aufs Foto�

  • #1

    Detlev O. (Freitag, 01 Januar 2021 17:57)

    Lieber Walther, Du hast das Jahr 2020 sehr gut von allen Seiten beleuchtet. Immer ein Blick auch auf die Firma. Bleibt gesund